Mein burnout

Fünf Phasen meines Burnouts

Erste Anzeichen

Ich wurde immer launischer. Normalerweise bin ich sehr geduldig, aber je schlechter es mir ging, desto schneller regte ich mich auf. Mich störten Dinge, die mich normalerweise überhaupt nicht stören. Nicht nur von anderen, sondern auch an mir selbst.

Ich verlor das Interesse an Dingen, die ich zuvor gerne tat, zum Beispiel Kochen. Ich liebe es zu Kochen, aber während ich ausbrannte, verlor ich das Interesse daran. Ich war weniger kreativ mit meinen Gerichten und kümmerte mich nicht mehr so sehr um eine ausgewogene Ernährung.

Unbewusst änderte ich meine Gewohnheiten. Normalerweise bin ich ein sehr guter Schläfer (eigentlich habe ich einen schwarzen Gürtel im Einschlafen). Aber nun hatte ich zunehmend Mühe mit Einschlafen. Mein Gehirn schien nicht in der Lage abzuschalten.

Launen, Lustlosigkeit und Schlafstörungen sind klare Zeichen, dass Sie etwas beunruhigt. Die genannten Punkte können vorübergehend sein und vielleicht für eine Weile ertragen werden. Aber seien Sie sich negativen Veränderungen in Ihrem Leben bewusst, denn sie könnten zu etwas Schwerwiegenderem führen.

Weiter reinrutschen

Ich hatte generell zu viel um die Ohren. Ich muss zugeben, dass ich damit nicht sehr gut umgegangen bin, wie die ersten Anzeichen oben zeigen. Ich hatte einen Vollzeitjob in der Finanzabteilung eines interrnationalen Konzerns, bin verheiratet und habe Zwillinge. Ich war Präsident eines Sportvereins und war im lokalen Parlament politisch aktiv.

Das alles ging gut, bis drei unerwartete Ereignisse tiefgreifende Veränderungen in mein Leben brachten: Mein Vater hatte einen Schlaganfall, Krieg in der Ostukraine (woher meine Frau stammt) und ein neuer Vorgesetzter. Ich konnte nicht verarbeiten, dass ich weder gegen die Krankheit meines Vaters, noch gegen den Krieg in der Ostukraine etwas unternehmen konnte. Ich fühlte mich machtlos.

Zudem wurde meine Erwerbssituation instabil. Plötzlich hatte ich einen Chef, der mich nicht schätzte. Die Grundlage für unseren Lebensunterhalt geriet ins Wanken. Existentielle Ängste plagten mich, denn wir hatten gerade eine Hypothek aufgenommen. Wir hatten kleine Kinder und ich war damals Alleinverdiener. Meine Frau hatte kurz nach Geburt der Kinder die Stelle verloren. Ich steckte dermassen im Hamsterrad fest, dass es mir nicht in den Sinn kam, eine Lösung zu suchen.

Die Anzeichen, die ich im ersten Teil beschreibe, wurden schlimmer. Ich schlief vielleicht noch zwei, drei Stunden pro Nacht. Ich konnte schlecht einschlafen, und wenn doch, wachte ich immer wieder auf und konnte lange nicht mehr einschlafen. Manchmal wachte ich auf, konnte kaum noch atmen und hatte starke Brustschmerzen. Mein Herz pumpte wie verrückt.

Der Arzt befand, mein Herz sei in Ordnung. Aber er fragte, ob ich mich gestresst fühle. Erstmals wurde mir bewusst, unter welch immensem Druck ich permanent stand.

Der Tiefpunkt

Ich funktionierte einfach nicht mehr. Im Job und in der Familie konnte ich die einfachsten Dinge nicht mehr erledigen. Das Schreiben einer E-Mail dauerte ewig. Mich zu rasieren, war eine Riesenaufgabe. Mein Selbstvertrauen kam mir abhanden. Ich fragte mich: Warum ich? Wie habe ich das verdient? Die Situation schien mir ausweglos.

Unseren Urlaub verbrachten wir in Malaga. Wir planten einige Tagesausflüge nach Sevilla, Cordoba, Gibraltar usw. Aber mir war überhaupt nicht danach. Die ersten drei Nächte in Spanien schlief ich jeweils zwölf Stunden am Stück – so erschöpft war ich. Je näher die Heimreise rückte, desto schlechter schlief ich wieder.

Meine Frau erkannte, dass es so nicht weitergehen konnte. Sofort nach unserer Rückkehr schickte sie mich zum Arzt. Ich weiss nicht, ob ich diesen Schritt von mir aus gemacht hätte. Ich bin meiner Frau ewig dankbar, dass sie mich dazu gebracht hat, Hilfe zu suchen.

Die Diagnose lautete Erschöpfungsdepression, neudeutsch Burnout. Mein Arzt schrieb mich zunächst zwei Wochen krank. Daraus wurden sieben Monate.

Sich herauskämpfen

Ich hatte das Glück, bald eine gute Therapeutin zu finden. Als Erstes half sie mir, eine Struktur in meinen Tag zu bringen. Jeden Tag stand ich zur gleichen Zeit auf und versuchte, meinen Tag so gut wie möglich zu planen. Ich folgte dem Rat meiner Therapeutin, zu machen, was mir gut tat. Häufig ging ich alleine spazieren, trieb wieder regelmässig Sport, abonnierte aber auch Netflix und verbrachte viel Zeit am Bildschirm.

Mit der Therapeutin machte ich einige sehr einfache, aber substanzielle Übungen, die mir halfen, gesund zu werden. Diese waren unter anderem:

1. Meine Prioritäten im Leben setzen.

2. Meine Persönlichkeit kennenlernen und mit dem Gelernten umgehen. 

3. Lernen zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, auf die man keinen Einfluss hat. Den Fokus auf das richten, was man tun kann. 

4. Die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Aufhören, anderen die Schuld zu geben.

Ein weiterer Teil der Genesung war meine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess. Nachdem ich sieben Monate krankgeschrieben war, fühlte ich mich langsam wieder bereit, zu arbeiten.

Glücklicherweise verfügte ich über ein grosses Netzwerk. Ich fand eine Abteilung innerhalb desselben Unternehmens, die bereit war, mir bei meiner Wiedereingliederung zu helfen. Ich begann damit, 50 Prozent zu arbeiten. Ich erhielt einfache Aufgaben statistischer Natur, die ich bewältigen konnte. Schritt für Schritt habe ich mein Selbstvertrauen wieder aufgebaut.

Gesund bleiben

An sich selbst zu glauben und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, ist das, was mich gesund hält. Ich habe meine Prioritäten richtig gesetzt und mein Leben wird von ihnen bzw. von mir selbst bestimmt, nicht von der Arbeit oder von äusseren Einflüssen.

Ich habe gelernt, Nein zu sagen, wenn ich etwas nicht tun will, nicht kann oder nicht die Zeit dazu habe. Ich habe gelernt, um Hilfe zu bitten ist kein Zeichen von Schwäche.

Meine Frau und ich haben definiert, welchen Lebenstandard wir möchten und wie viel Einkommen wir dafür brauchen. Denn trotz Burnout wollen Rechnungen bezahlt sein. Meine Frau stockte ihr Pensum auf und ich verliess das Unternehmen, um mich beruflich neu zu orientieren.

Zudem habe ich gelernt, dass es keinen Sinn ergibt, Energie in aussichtslose Kämpfe zu investieren. Besser, man fokussiert seine Energie auf das Positive!

Teil meiner beruflichen Neuorientierung war das Absolvieren einer Coaching-Ausbildung und einer Weiterbilung zum Stress- und Burnout Mentor. Aufgrund vieler Gespräche mit anderen Burnout-Betroffenen stellte ich fest, dass ich mit meiner Erfahrung Menschen in ähnlichen Situationen wertvolle Hilfe bieten kann. 2020 gründete ich Lavicka Consulting. Ich biete individuelle Consulting, halte Vorträge und organisiere Events zum Thema Burnout.